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Tuğçe Albarak – von Zivilcourage und struktureller Gewalt

Tuğçe Albarak – von Zivilcourage und struktureller Gewalt published on 1 Kommentar zu Tuğçe Albarak – von Zivilcourage und struktureller Gewalt

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Tuğçe Albayrak starb an ihrem 23. Geburtstag, weil sie eingriff, als zwei Mädchen von Typen belästigt wurden und in der Folge selbst angegriffen wurde. Ihr Tod wird weltweit betrauert und die Respektsbekundungen sind zu recht groß.
Tuğçe griff in einer Situation ein, die auch für sie selbst Gefahr bedeutete – nicht immer ist Eingreifen so risikoreich, doch immer ist Eingreifen wichtig . Die Medien nehmen das zum Anlass, dem Thema Zivilcourage wieder verstärkte Bedeutung zuzurechnen.

Doch wenn wir den Tod von Tuğçe nur im Zusammenhang mit Zivilcourage betrachten, bleibt uns ein wichtiges Problem verborgen: das der strukturellen Gewalt gegen Frauen aufgrund von männlichem Anspruchsdenken . Zu lesen ist wieder von “Schlägertypen”, “jugendlichen Straftätern” oder auch “Ausländergewalt” (die dann gegen Tuğçes Migrationshintergrund aufgerechnet wird). Nicht benannt wird misogyne Gewalt : Die Person, die für den Tod der jungen Studentin verantwortlich ist, hat mit einigen anderen zusammen zuvor Mädchen auf einer öffentlichen Toilette belästigt.
Jungs und Männer, die Mädchen und Frauen belästigen, sind Alltag . Die patriarchale Struktur unserer Gesellschaft ermöglicht ihnen das und sie ermöglicht auch, dass dem Thema viel zu wenig Bedeutung beikommt. Problematisieren zu müssen, dass Übergriffe und Übergriffigkeit nicht auf böse, arme, nicht-weiße Kriminelle abgeschoben werden können, würde die Gesellschaft als Ganzes betreffen. Ein strukturelles Problem einzugestehen, zu beleuchten und Konsequenzen daraus zu ziehen, täte weh. Es wäre nämlich nicht damit getan, sich auf Einzelfälle zu stürzen.

Wer in den letzten Wochen die verstärkte Diskussion um Pick Up verfolgt hat, konnte auch hier genau das beobachten: Julien Blanc, der aufgrund gewaltverherrlichender Videos sehr begründeten Protest auslöste, wurde zum Vertreter einer ganzen Bewegung. Doch auch ohne den Aufruf zu körperlicher Gewalt können viele der Techniken von Pick Up “Artists” als gewaltsam bezeichnet werden. Rücksichtslos wird sich über den Willen von Frauen und von ihnen gesetzte Grenzen hinweg gesetzt, um sie ins Bett zu kriegen. Was hier gelehrt wird, legt den Grundstein für gewaltvolle Beziehungen und sexualisierte Übergriffe. Männer, die Pick Up betreiben, haben das Ziel, besonders viele Frauen in kurzer Zeit ins Bett zu kriegen. Sie gehen davon aus, dass Frauen viel zu selbstbewusst geworden seien und Männer dahinter zurück stehen. In ihren Augen steht ihnen Sex mit Frauen zu, Frauen sind aber so bösartig, dass sie ihnen den nicht gönnen und vorenthalten. Allein diese sexistische Anspruchshaltung und der Heterozentrismus, der damit einher geht, sind Grund, sich aufzuregen. Keine Frau schuldet einem Mann Aufmerksamkeit, Sex oder gar Liebe – und sei er noch so ein Nice Guy .
Pick Up ist Industrie gewordene Manifestation der Rape Culture, in der wir leben. Der Begriff Rape Culture meint im Wesentlichen, dass in einer Gesellschaft sexualisierte Gewalt oft vorkommt, aber von vielen Menschen nicht als solche benannt oder gar erkannt wird. Rape Culture zeigt sich in den Vergewaltigungsmythen, die letztlich immer den Opfern die Schuld zuschieben, und in der Verharmlosung von Übergriffigkeit. Täter werden dadurch geschützt und Taten herunter gespielt.

Letztlich bleibt es dabei, dass einzelne Menschen als mutig gelten und posthum ausgezeichnet werden, wenn sie dafür sorgen (möchten), dass Frauen unbelästigt durchs Leben gehen. Wer ein sicheres Leben für sich und andere möchte, darf nicht mutig sein müssen. Sogar Bundespräsident Gauck äußerte sich zu Tuğçes Zivilcourage und ihrem traurigen Tod , eine Auseinandersetzung mit Gewalt gegen Frauen forderte er hingegen nicht.
Wir müssen darüber reden, welche Strukturen es sind, die ein Klima der Gewalt ermöglichen , nicht so sehr darüber, wie dem im Einzelfall begegnet werden kann. Vor dem Hintergrund, dass Street Harassment und Pick Up in unserer Gesellschaft als „normal“ gelten, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um patriarchale Gewaltstrukturen handelt. Natürlich wünschen wir uns eine Gesellschaft, in der Menschen sich mutig Diskriminierung und Gewalt entgegenstellen. Doch vor allem wünschen wir uns eine Gesellschaft, die Gewaltstrukturen erkennt und das Problem an der Wurzel packt.

EDIT: @dieryane (via @samiaalthar) wies auf Twitter darauf hin, dass es einen guten Artikel u.a. zum Thema Rassismus bezogen auf den Fall Tuğçe gibt, den ich hier also ergänzen will.

Frauenfeindliche Morde und die fehlende Diskussion über misogynen Terror

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Frauenfeindliche Texte und Hate Speech finden sich im Internet zu Hauf – Beleidigungen, Todesdrohungen, Vergewaltigungsphantasien, Stalking. Und immer wieder gibt es Leute, die Gewalt nicht nur androhen, sondern auch tatsächlich ausüben. Knochenweib schrieb letztens bereits über hegemoniale Männlichkeit und das System hinter Gewalt gegen Frauen.

Am 23. Mai ereigneten sich die Morde durch den 22-jährigen Elliot Rodger. Er hatte erst seine Mitbewohner erstochen und dann mit einer Waffe vor dem Haus einer Studentinnenverbindung zwei Frauen und einen Mann erschossen, mehrere Menschen wurden verletzt. Rodger hatte zuvor in mehreren Youtube-Videos seine Taten angekündigt und sich zu seinen Motiven geäußert.

„Ihr Mädchen habt euch nie für mich interessiert. Ich weiß nicht warum. Ich werde euch alle dafür bestrafen. Ich bin der perfekte Mann, und ihr schmeißt euch trotzdem an diese ganzen anderen dämlichen Typen ran. (…) Am Tag meiner Rache werde ich ins Gebäude der heißesten Studentinnenverbindungen meiner Uni gehen und ich werde jede einzelne blonde, verwöhnte Schlampe abschlachten, die ich dort sehe.“

Zitat aus seinem Video , Übersetzung von Juliane auf kleinerdrei.org

Rodger wollte Frauen dafür leiden sehen, dass sie ihn ablehnten. Er glaubte, er habe ein Recht auf Zuwendung, Liebe und Sex, aber weil keine Frau dem nachkommen wollten, tötete Rodger – aus Frauenhass und aus Hass auf Männer, die einen „Status“ erreicht hatten, der in seinen Augen ihm zustand.

Ein ähnlicher Fall dieser Art ist Anders Breivik, der 2011 im Regierungsviertel in Oslo eine Bombe zündete und dann auf der Insel Utøya mehrere Menschen erschoss. Breivik bekennt sich zu rechten Ideologien und ganz besonders zum Hass auf den Islam. Er hat ebenfalls ein Manifest hinterlassen und kurz vor seiner Tat ein Video mit seinen Thesen ins Netz gestellt.
Bei Breivik wird sehr wenig darüber gesprochen, dass er ebenso wie den Islam auch den Feminismus verabscheute: Frauen würden die Islamisierung befürworten und da der Feminismus die Machtbalance zwischen den Geschlechtern aus ihrer natürlichen Ordnung gebracht habe, fördere der Feminismus die Zerstörung der christlich-europäischen Gesellschaft.

„Das Schicksal der europäischen Zivilisation hängt davon ab, wie standhaft europäische Männer dem politisch korrekten Feminismus widerstehen können.“

Zitat aus dem Guardian , Übersetzung der Autorin

Das Heraufbeschwören der politischen Korrektheit als Feindbild von Maskulisten ist nichts Neues. Nicht ohne Grund ist in der Studie der Böll-Stiftung zur antifeministischen Männerrechtsbewegung zu lesen, dass die rechtspopulistische Strömung des Antifeminismus sich kaum von Breivik distanziert. Breivik tötete 77 Menschen und es gibt Aussagen dazu, dass er immer zuerst die Mädchen/Frauen anvisiert habe.

Aus dem Jahr 1989 ist das Montréal Massaker bekannt, bei dem der 25-jährige Marc Lépin in einer kanadischen Hochschule 14 Frauen tötete sowie zehn Frauen und vier Männer verletzte. Lépin hatte zuvor einen Abschiedsbrief geschrieben:

„Zuerst erwähnte er, dass er dies aus politischen Gründen tut. Er sagte, Feministinnen hätten sein Leben ruiniert und dass er nie glücklich war im Leben, besonders in den letzten sieben Jahren (…)“

Zitat aus der Pressekonferenz der Polizei , Übersetzung der Autorin

Genau wie aktuell Rodger gab Lépin Frauen die Schuld an seinem unglücklichen Leben und genau wie Rodger und Breivik nannte er dies als Motiv für seine Taten. Lépin tötete in der Folge ganz bewusst Frauen: Er betrat einen Klassenraum der Hochschule und schickt die männlichen Schüler hinaus, um mit den Schülerinnen alleine zu bleiben. Er erklärte ihnen, warum er sie tötete:

„Ich bekämpfe den Feminismus.“

Zitat aus Globalnews , Übersetzung der Autorin

Nach der Tat gab es u.a. eine Debatte um Gewalt in den Medien – quasi das Äquivalent um „Killerspiel“-Diskussionen, die heutzutage nach solchen Taten geführt werden. Es setzten aber auch feministische Proteste ein, die für die Anerkennung von Gewalt gegen Frauen als eigenständiges Problem kämpften. Antifeministische Gegenproteste gaben wiederum „dem Feminismus“ die Schuld an der Tat Lépins. Die These, dass Frauen selbst Schuld sind, wenn sie feministische Thesen vertreten und dafür Gewalt erfahren, sind aus Netzdiskussionen mit Maskulisten hinlänglich bekannt. Lépin gilt unter Antifeministen als Held.

Ein weiteres Beispiel ist der 17-jährige Tim Kretschmer, der 2009 als „Amokläufer von Winnenden“ bekannt wurde. Über seine Morde wurde monatelang berichtet und zu jedem Jahrestag wird das Thema medial wieder aufgewärmt.
Was wenig bekannt ist: Kretschmer tötete an seiner alten Schule zwölf Menschen – elf davon waren weiblich, also Lehrerinnen oder Schülerinnen. Die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch war eine derjenigen, die darauf hinwies, dass Kretschmer seine Opfer mit gezielte Kopfschüssen tötete und nicht etwa einfach wild um sich schoss. Die Opfer waren demnach ausgewählt und es handelt sich nicht um einen Zufall, dass das Geschlechterverhältnis so eindeutig ausfällt.
Der einzige Versuch, Frauenhass als Tatmotiv zu verhandeln, der es in die Medien schaffte, war leider sehr unseriös und an den Haaren herbeigezogen. Die Pornos, die auf Kretschmers Computer gefunden wurden, sollten belegen, dass er masochistische Sexphantasien gehabt habe, dass er sich für diese Lust geschämt habe und sich deswegen an Frauen rächen wollte. Nach diesem Ansatz gab es keinerlei weitere Diskussion zu dem Thema, Kretschmer löste vielmehr eine leidige Diskussion über „Killerspiele“, aber glücklicherweise auch über Waffenbesitz, aus.

Zapfen1 Mindestens die Aussagen von Elliot Rodger waren schon vor seiner Tat online einzusehen. Sie sind von Frauenhass durchsetzt und als Hate Speech einzuordnen. Die Polizei wurde auf seine Hasstiraden aufmerksam und besuchte Rodger zuhause. Sie stufte ihn trotz seiner gefährlichen Aussagen als ungefährlich ein und nahm die beschriebene Gewalt an Frauen vermutlich nicht als ernst zu nehmende Drohungen wahr.
Wenige Tage später wurde Rodger zum Mörder.

Auch in Deutschland wird Hate Speech kaum als Problem erkannt. „Dann schreib doch nichts mehr ins Internet, dann bekommst du auch nicht solche Antworten“, sind die Reaktionen von Menschen, die Einblick in die Bedrohungen bekommen, die Feministinnen ereilen. Bei Hate Speech wird genauso Victim Blaming betrieben, wie bei anderer Gewalt oder sexualisierten Übergriffen.
Und selbst wenn es zu spät ist, werden die Zusammenhänge oft nicht erkannt. Während Taten, deren Täter*innen als muslimisch identifiziert werden oder als Spieler*innen bestimmter Computerspiele gelten, immer zu Grundsatzdiskussionen führen, ist das beim Motiv Frauenhass nicht der Fall. Die Tatsache, dass es Morde gibt, die von Männern verübt werden, die zuvor oder während der Tat durch Hate Speech und Frauenhass auffällig wurden, findet kaum bis gar nicht Eingang in gesellschaftliche Diskussionen.

Wann sprechen wir denn endlich über misogynen Terror?

Besserer Umgang mit Hate Speech – Ideen zur Abwendung des Feminist Burnout

Besserer Umgang mit Hate Speech – Ideen zur Abwendung des Feminist Burnout published on 3 Kommentare zu Besserer Umgang mit Hate Speech – Ideen zur Abwendung des Feminist Burnout

Dieser Text ist die Nachbereitung meiner Session auf dem Barcamp Frauen 2013 letzten Samstag in Berlin. Danke an alle Teilnehmer*innen – eure Ergänzungen sind hier eingeflossen. Ich kann hier leider nicht alles Gesagte ganz detailiert aufschreiben, da manche Strategien besser im geschützten Raum weitergegeben und nicht veröffentlicht werden.
Ganz herzlichen Dank an @AranJaeger fürs Probelesen und Ergänzen.

Wer schon mal etwas zu Feminismus oder Anti-Rassismus o.ä. auf irgendeine Plattform im Internet geschrieben hat, lernt meistens sehr schnell Hasskommentare kennen. Bedrohungen und Beschimpfungen im Netz sind genauso real wie auf der Straße. Sie treffen dich 24 Stunden am Tag, unerwartet und auf unterschiedlichen Kanälen. Sie ziehen Energie von deinen eigentlichen Projekten ab, treffen dich persönlich und ziehen dich runter. Ziel solcher Hasskommentare ist immer, die angesprochene Person zu verunsichern und im besten Fall zum Schweigen zu bringen. Sich frei im Internet zu bewegen, wenn dort Menschen lauern, die dir etwas Schlechtes wollen, ist nicht mehr möglich. Hasskommentare beeinflussen dein Schreiben und dein Denken.

Zudem werden sie oft vom Umfeld (besonders dem „Offline-Umfeld“) nicht ernst genommen. Die Situation zu beschreiben wird derzeit zusätzlich dadurch erschwert, dass die Mittel der Maskulist*innen immer perfider werden. Mittlerweile werden auch detailliert ausgearbeitete Fake-Identitäten dazu benutzt, die Bedrohungen von Feminist*innen und die Hetzjagden auf sie zu verstärken.

Das Ziel der Bedrohenden ist, uns zum Schweigen zu bringen. Wenn wir uns das nicht gefallen lassen wollen, muss jede*r von uns den für sie*ihn richtigen Weg gehen, mit so wenig Schaden wie möglich aus der Sache raus zu kommen bzw. den Aktivismus weiter betreiben zu können. Wichtig ist, dass es natürlich nicht den einen richtigen Weg gibt. Ein Burnout ist immer ein zu großes Opfer und schadet nicht nur dir, sondern auch deinem Anliegen.

Hate Speech ist unsichtbar und wie mein Vortrag auf der Open Mind im Sommer gezeigt hat, ist den Bedrohenden auch viel daran gelegen, dass dies so bleibt. Um aber etwas gegen den Hass unternehmen zu können, ist es wichtig, dass Nicht-Betroffene verstehen, um was es geht und man ihnen einen Einblick ermöglicht. Es hat sich hier bewährt, nicht auf der entsprechenden Plattform selbst (oder im Netz an sich) als Betroffene mit denjenigen zu diskutieren, die dich beleidigen.

Es erscheint mir sinnvoll, erst zu schauen, welche Verbündete wir haben oder um welche wir uns bemühen sollten. Davon ausgehend gehe ich dann auf Strategien ein, die sich bereits bewährt haben oder sinnvolle Ansatzpunkte sein könnten.

  • Betroffene: Am leichtesten vernetzt es sich mit den Menschen, die selbst betroffen sind. Sie haben gleiche/ähnliche Erfahrungen gemacht wie du, können dich deshalb am leichtesten verstehen und können ggf. Tipps geben.
  • persönliches Umfeld: Vertraute Menschen, die bereit sind, dich in den Arm zu nehmen, mit dir zu telefonieren, dir Herzen zu schicken oder dich zu verteidigen, sind unwahrscheinlich wichtig. Sie geben dir Halt und Schutz. Ein Umfeld, das nur Energie zieht, weil es dir vermeintlich gute Ratschläge gibt, dich aber nur mehr belastet, weil es dich nicht verstehen kann, ist wenig hilfreich bis schädlich. (Bei sich selbst als Feminist Allys darstellenden Menschen musst du mitunter vorsichtig sein. Verlass dich da lieber auf dein eigenes Gefühl – aus persönlichen Erfahrungen kann ich eine gute Portion gesundes Misstrauen empfehlen.)
  • Technikmenschen: Wenn wir etwas gegen Bedrohungen im Internet tun wollen, ist es immer günstig, Leute zu kennen, die die Zeit, die Bereitschaft und vor allem das Know-How haben, dich mit technischen Mittel zu unterstützen. Auf Twitter und in der Blogosphäre treiben sich meistens genug Menschen herum, die auf dem Feld behilflich sein können.
  • Journalist*innen / Gegenöffentlichkeit: Um mehr Leute als nur deine eigene Twitter-Timeline auf das Problem aufmerksam zu machen, ist es günstig, Menschen mit Einfluss auf die Öffentlichkeit zu kennen. Das können Blogger*innen genauso sein wie Journalist*innen.
  • Jurist*innen: Gute Anwält*innen, die dich beraten und ggf. aktiv unterstützen, sind ein wichtiges Backup für den Ernstfall. Zudem gibt es den deutschen Juristinnenbund (DJB), der sich dem Thema Hate Speech bereits angenommen hat und sicherlich weiterhin Jurist*innen mit dem Thema vertraut machen und dadurch was bewegen kann.
  • Politiker*innen: Um nachhaltige Veränderungen zu schaffen, müssen wir Politiker*innen auf uns und unsere Anliegen aufmerksam machen. Das ist teilweise schon geschehen, auf der Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten wurde in diesem Jahr über Sexismus und die Verantwortung der Politik gesprochen.

1. politische Lösungen:

  • Hate Speech zu einem Straftatbestand zu machen, ist wenig sinnvoll. Inhaltlich ist das zu schwammig, um nicht später viel mehr gegen uns selbst verwendet zu werden. Wir würden uns ins eigene Fleisch schneiden. Sich hingegen anzuschauen, wo in bestehender Gesetzgebung nachgebessert werden muss, kann zu Erfolg führen. Strafverfolgung von Beleidigung ist schwierig und was juristisch als Beleidigung gilt, ist nicht mehr zeitgemäß – hier lässt sich was machen.
  • Twitter oder Facebook sind für Jurist*innen noch Neuland. Hier müsste einmal ausgearbeitet werden, wie mit Bedrohung auf entsprechenden Plattformen umgegangen werden muss, welche Straftatbestände wirklich vorliegen usw.

2. technische Lösungen:

  • Plattformen zur Veröffentlichung von Screenshots/Links usw. tragen zur Sichtbarmachung des Problems bei. Hier gibt es beispielsweise schon Hatr.org oder private Tumblr-Blogs, die das Ausmaß des Hasses gut darstellen.
  • Meldebuttons und Blockfunktionen muss es auf allen Plattformen geben, sie sollen so eingerichtet sein, dass sie so wenig missbraucht werden können wie möglich und natürlich sollen sie auch Konsequenzen haben (was wieder in den Bereich juristische Lösungen fällt).
  • Teilbare Blocklisten (in Planung: Brickr ) sind immer wieder im Gespräch und werden nun hoffentlich bald möglich sein. Ich kann so vorsorglich Leute blocken, die schon Freund*innen von mir bedroht haben und muss nicht erst warten, bis sie mir auch noch gefährlich werden. Zudem machen sie Blockempfehlungen in Form von Tweets weitestgehend überflüssig, welche auch immer wieder Anknüpfungspunkte für Shitstorms gegen die Opfer von Bedrohungen sind.
  • Auf Twitter gibt es die Möglichkeit, sich in geschützte Accounts zurückzuziehen. Viele haben mittlerweile private Zweitaccounts angelegt, um dort Absprachen zu treffen und eben alles zu schreiben, was im öffentlichen Account gleich von Hatern aufgegriffen werden würde. Wenn der Shitstorm gerade besonders schlimm ist, lässt sich natürlich auch der normale Hauptaccount temporär schützen. Auch auf anderen Plattformen gibt es Privatsphäreeinstellungen, die es sinnvoll ist zu kennen, damit nicht immer alles für alle lesbar ist.

3. Self Care:

  • Self Care deckt natürlich keine Missstände auf, aber ist unheimlich wichtig, um weitermachen zu können und sich dabei selbst nicht zu verlieren. Self Care vergessen viele von uns gerne mal, schieben sie auf der To Do-Liste ganz nach hinten und bekommen dafür leider viel zu schnell die Quittung. Hab ich ausprobiert, kann ich dringend von abraten!
  • In erster Linie meint Self Care die Aufrechterhaltung des eigenen Lebens – genug essen, genug trinken, genug schlafen, genug frische Luft und Bewegung. Es sind die einfachsten Dinge, die schnell vergessen werden, die aber die Grundlage bilden, überhaupt gesund zu bleiben und weitermachen zu können.
  • Bewusste Pausen machen und sich erholen ist wichtig. Spazierengehen, Hobbys aufrecht erhalten und nicht 24/7 kämpfen, sondern lieber auch mal Aufgaben abgeben.
  • Nicht alles lesen, was über dich geschrieben wird! Für einige ist es das einzige Mittel, das zumindest wage Gefühl von Kontrolle zu haben, wenn sie sich den Hass gegen sie durchlesen. Hier ist es aber gut, irgendwann einen Schlussstrich zu ziehen und sich nicht selbst fertig zu machen. Abgrenzen ist wichtig.
  • Nutze die Blockfunktion auf den Plattformen, auf denen das möglich ist und rechtfertige dich nicht dafür. Dein Account/Blog – deine Regeln!
  • Sprich über das, was dir passiert und bleibe nicht alleine mit deiner Angst und den Bedrohungen. Tue dies aber nicht unbedingt dadurch, dass du anderen ungefiltert den Hass gegen dich in die Timeline retweetest o.ä. Andere dadurch zu triggern, ist nicht der solidarischste Weg (verlinken und eine Triggerwarnung davorsetzen ist da als Alternative denkbar). Sprich vor allem auch außerhalb des Netzes mit Menschen, die genau wie du Aktivist*innen sind, pflege die Netzwerke. Hole dir auch unbeteiligte Freund*innen dazu, die nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stehen und so ggf. mehr aushalten können als die, die auch eigene Baustellen zu bearbeiten haben.

4. Bildet Banden!

  • Solidarität und Vernetzung sind zwei sehr wichtige Punkte. Leute, die dir zur Seite stehen können und sich auch mal öffentlich auf deine Seite stellen, können gute Stützen sein. (Leute, die unabgesprochen und übergriffig für dich sprechen, sind keine Stützen!) Auch um Kontakte zu Journalist*innen, Politiker*innen oder Anwält*innen weiterzugeben, ist Vernetzung nötig.
  • Es gibt bereits Foren, die zur Vernetzung dienen und kleinere private Kreise, die sich per Mailinglisten oder E-Mail-Verteiler verständigen. Wie bei Gewalt auf der Straße kann es hilfreich sein, hier Leute direkt anzusprechen – am besten schaffst du dir da einen Kreis, bei dem du weißt, dass es okay ist, direkt um Hilfe zu bitten.
  • Da auch auf Blogs viele Hasskommentare hinterlassen werden, kann es sinnvoll sein, nicht selbst oder nicht nur selbst Kommentare freizuschalten, sondern die Arbeit an Vertraute oder bei Teamblogs auf die Gruppe zu delegieren. Hass, der gegen andere gerichtet ist, lässt sich leichter ertragen und löschen als der, der gegen dich selbst geht.
  • Es lassen sich auch Vereine gründen, die Anlaufstellen für Opfer von Hate Speech sind oder die die Möglichkeit geben, der Impressumspflicht nachzukommen, indem man eine alternative ladungsfähige Adresse als die eigene angeben kann. Adressen „leihen“ kannst du manchmal auch bei schon bestehenden Vereinen/Gruppen oder Privatpersonen.

„But we don’t have to take it“ – Sommerhit queer-feministisch umgedeutet

„But we don’t have to take it“ – Sommerhit queer-feministisch umgedeutet published on 1 Kommentar zu „But we don’t have to take it“ – Sommerhit queer-feministisch umgedeutet

Maggi Simpson tanzt zu Musik aus dem Kassettenrekorder Eigentlich bin ich nicht das richtige Publikum für sogenannte „Sommerhits“ – also popige Ohrwürmer, die die Leichtigkeit des Sommers widerspiegeln sollen und die kluge Marketingmenschen just zur Ferienzeit in die Charts bringen. Ich bekomme neue Musik eigentlich immer nur über das Internet und/oder Empfehlungen von Freundinnen mit. Oder eben – es ist ein bisschen peinlich – über Werbejingle und Fernsehvorschauen, die ja gerne aktuelle Songs für sich benutzen.

So ging es mir auch mit „Blurred Lines“ von Robin Thicke. Ich hörte es, während der Fernseher lief und ich eigentlich was anderes tat. Mir gefiel die Melodie – sie ging ins Ohr und blieb auch lange dort. Auf den Text habe ich erstmal gar nicht geachtet (meistens ein Fehler…). Uff! Wer auf den Text achtet und sich das zugehörige Musikvideo anschauet, welches es sogar noch in einer Nude Version gibt, der_dem vergeht jegliche Sommerlaune.

Der Klassiker: Junger Mann im feinen Zwirn versammelt eine Horde (halb)nackter und normschöner Frauen um sich und lässt sich von ihnen anhimmeln. Dabei trällert er dann, wie genau er wisse, was Frauen wollen und brauchen.
Objektifizierung von Frauen und  Rape Culture – genau das, was ich nicht lesen, hören oder sehen will. Und zum Glück bin ich da nicht nur nicht alleine mit meiner Meinung – es gibt Menschen, die sich die Mühe gemacht haben, aus dem Song noch was richtig Gutes zu zaubern.

Mod Carousel haben eine genderswitched Version des Liedes aufgenommen und mit einem tollen Video versehen. Endlich sind mal die Frauen diejenigen, die angezogen bleiben und den Ton angeben dürfen. Auf sehr charmante Weise sind die Geschlechterrollen der Protagonist*innen nicht Mainstream durchgezogen – die Frauen tragen Businesslook, die Männer Highheels und Schminke. Alle Arten von Schönheiten haben in dieser Inszenierung Platz. Die Künstler*innen selbst äußern sich unter ihrem Video so: „We made this video specifically to show a spectrum of sexuality as well as present both women and men in a positive light, one where objectifying men is more than alright and where women can be strong and sexy without negative repercussions.“

Fast noch besser gefällt mir persönlich aber „Ask first“ von J. Mary Burnet & Kaleigh Trace, was es auch zum kostenlosen Download gibt. Ich mag, wie sehr den Darsteller*innen anzusehen ist, wie viel Spaß ihnen der Videodreh gemacht hat. Thickes Song wird nicht nur parodiert und mit vielfältigen Vorstellungen von Beziehung, Sex und Geschlecht ergänzt, sondern kurzerhand zu einer Ode an die Consent Culture gemacht.
So kommen dann auch Feminist*innen in die richtige Stimmung Sommerflirts – wenn sie das denn möchten 😉

EDIT: Helga hat inzwischen auch zum Thema gebloggt und noch einige nette Videos gefunden.

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