“Mädchen dürfen sich nicht für Piraten interessieren…”

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…meinte meine kleine Nichte neulich, da ihr älterer Bruder das weite Feld der Piraterie momentan für sich allein besetzt hält.

Als ich das Spielzeug und die dazu gehörigen Kataloge der Firma Playmobil daraufhin inspizierte, musste ich wirklich feststellen, dass Mädchen beim Action-und-Abenteuer-Spielzeug immer noch weibliche Rollenvorbilder fehlen. Darüber hinaus wird dieses Spielzeug in der Werbung ganz klar nur als Spielzeug für Jungen deklariert (vgl. Lego & Gender 2: The Boys Club / In der Werbung bzw. in den Katalogen von Playmobil herrscht das gleiche Rollenbild vor).

©Axel Vogt http://www.flickr.com/photos/84071414@N00/2565251230/

©Axel Vogt
http://www.flickr.com/photos/84071414@N00/2565251230/

Allerdings geschieht hier meiner Meinung nach mehr, als Spielzeug einfach nach Geschlechtersterotypen aufzuteilen und die Kinder damit auf ihre angeblich determinierten Geschlechterrollen im späteren Leben vorzubereiten (Feuerwehrmann/Hausfrau): Gerade durch Spielzeug der Kategorie Action/Abenteuer werden die zwei Bereiche “Historie” und “Fantasy” allein für eine männliche Klientel hergestellt und somit von dieser beansprucht/dominiert.

Entgegen der historischen Fakten spielen Frauen in diesen Spielewelten kaum eine Rolle, obwohl es nachweislich Piratinnen (die berühmtesten sind Grace O’Malley , Anne Bonny und Mary Read ) und seefahrende Norwegerinnen (vgl. Women in piracy ) sowie Heeresführerinnen/Kämpfende ( Elisabeth I. , Isabella von Kastilien , Katharina von Aragon , Johanna von Orleans , Boudicca , Caterina Sforza , Artemisia von Halikarnassos , Nzinga von Ndongo und Matamba , Tomoe Gozen ) gab. Oft werden sie nicht einmal auf die unrühmliche Rolle der “damsel in distress” (vgl. Tropes vs. Women Part 1 / Part 2 ) bzw. des Burgfräuleins reduziert, sondern sie kommen schlichtweg einfach nicht vor: In den meisten Abenteuer-Spielesets (Piraten, Ritter, Wikinger etc.) sind überhaupt keine weiblichen Spielfiguren enthalten.

Nicht nur wird dadurch ein männlich dominiertes Geschichtsverständnis eingeübt, in dem nur Männer “Geschichte mach(t)en”, sondern auch das freie Spiel von Kindern in fantastischen Welten begrenzt, da es ebenso im Bereich “Fantasy” fast nur männliche Spielfiguren bzw. Helden/Kämpfer – also die gängigen Archetypen – gibt. Von einem wirklichen Spiel mit verschiedenen (Geschlechter-)Rollen kann hier kaum die Rede sein – zumindest geht die Einladung, sich aktiv in Abenteuer einzubringen, hauptsächlich an Jungen.

Wikinger mit historisch unkorrektem Hörnerhelm. ©MrGreenPullover flickr.com

Wikinger mit historisch unkorrektem Hörnerhelm.
©MrGreenPullover
http://www.flickr.com/photos/51044949@N04/8976905480/

Warum aber sind weibliche Vorbilder/Spielfiguren so wichtig? Können Mädchen nicht trotzdem einfach mit Jungsspielzeug spielen, wie ich das früher auch gemacht habe?

Sicher können Mädchen sich ihren Platz unter den Piraten, Rittern, Helden und Abenteurern erkämpfen – doch warum sollten sie das überhaupt tun müssen ? Warum steht ihnen ihr Platz dort unter den Aktiven und Abenteuerlustigen nicht einfach zu, so wie den Jungen auch? Kinder üben beim Spielen Rollen ein – warum dürfen Mädchen nicht so ohne Weiteres Abenteuerlust einüben?

Durch Werbung wird Mädchen suggeriert, dass sie beim Abenteuerspielzeug unerwünscht sind. So werden Ausschlüsse produziert: Mädchen wird es erschwert, sich bei diesen Spielen anzuschließen, weil weder für sie selbst noch für die Jungen weibliche Vorbilder präsent sind, die in Abenteuerspiele eingeflochten werden können.

Eine von insgesamt 3 Piratinnen, die ich nach intensivem Suchen gefunden habe.

Eine von insgesamt 3 Piratinnen, die ich nach intensivem Suchen gefunden habe.

Wenn Mädchen also zusammen mit den Jungs spielen wollen, dann müssen sie entweder in ihrer geschlechterstereotypen Rolle verharren und sind meist “damsel in distress” – oder sie müssen gegen ihr Geschlechterrollenstereotyp handeln. Somit ist ein Mädchen entweder gezwungen, ihr Geschlecht zu verleugnen und einen Jungen zu spielen (da nur männliche Charaktere zur Auswahl stehen) – oder sie ist oft als einziges, “wildes” (und somit untypisches) Mädchen Mitglied einer Jungsbande.

Egal wie man es dreht und wendet, die Geschlechterdichotomie bleibt erhalten: Auch wenn sich Mädchen nicht an die vorgegebenen Rollenmuster halten und die sie ausgrenzenden Regeln brechen, so wird ihnen trotzdem unterschwellig beständig suggeriert, in dieser von Archetypen regierten Spielewelt keinen Platz zu haben.