Mit „Cybermobbing“ wird gemeinhin Mobbing unter Schüler*innen bezeichnet, das online stattfindet. Manchmal ist auch Mobbing unter Erwachsenen mitgemeint, wobei hier oft nicht ausreichend von Hate Speech, Stalking oder anderen Straftaten abgegrenzt wird. Seit einigen Jahren nimmt die Berichterstattung zu Internetmobbing an Schulen (gefühlt) zu. Meistens werden die Geschichten der Opfer erzählt – was gut ist – doch auch wenn versucht wird, Auswege aus der Gewalt zu finden, Auswege aus der Gewalt aufzuzeigen, werden nur die Leidtragenden angesprochen. So ist es auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Deutschen Frauenrats, die ich hier herausgreife, die aber keinesfalls einen Einzelfall darstellt.
Unter dem Artikel findet sich ein Kästchen mit Tipps: „Was tun bei Cybermobbing?“. Gleich der erste Ratschlag ist, dass Opfer so wenig wie möglich Privates von sich online stellen sollen. Dieser Satz ist als Ratschlag absolut unbrauchbar, denn er sagt vor allem eines aus: Du bist Schuld, wenn Menschen dich bedrohnen oder beleidigen, denn du hast falsch gehandelt! Das ist Victim Blaming . Menschen müssen so viel oder so wenig über sich preisgeben dürfen, wie sie möchten – verwerflich oder gar strafbar ist, was Täter*innen mit dem Wissen tun, das sie erwerben.
In der
@frauenrat
wird Jugendlichen geraten, im Netz wenig „Angriffsfläche“ zu bieten, um Cybermobbing zu vermeiden. NEIN. Einfach nein.
— Tugendfurie (@Tugendfurie)
June 28, 2015
Und was ist in Zeiten von sozialen Netzwerken denn „zu viel Privates“? Alle Menschen (bei Weitem nicht nur Jugendliche!) müssen den Umgang mit dem Internet lernen und verstehen, was mit ihren Daten passieren kann. Die Schlussfolgerung kann aber nicht sein, nichts mehr online zu stellen. Angstmacherei ist keine Medienkompetenz. Gerade Menschen kurz vor dem Eintritt ins Berufsleben, also Schüler*innen, müssen sich heutzutage verstärkt online präsentieren, zum Beispiel in extra dafür vorgesehenen Jobnetzwerken. Ähnliches gilt bei politischem Engagement: Menschen, die Ämter innehaben oder Aufgaben übernehmen, haben oft online auffindbare Kontaktdaten, um zum Beispiel für Journalist*innen ansprechbar zu sein. Jugendliche von solchen Aufgaben auszuschließen, kann nicht die Lösung sein, vor allem nicht, da so oft behauptet wird, Jugendliche seien politikverdrossen und würden heutzutage gar keine Verantwortung mehr übernehmen wollen.
Sich im Internet – auch mit privaten Daten – darzustellen, ist nicht immer nur lustige Spielerei, es ist in der heutigen Welt auch gängige Praxis. Wer sich dem grundsätzlich verwehrt, wird an einigen Stellen ausgeschlossen bleiben, Aufträge nicht bekommen, wichtige Chancen verpassen. Jugendliche müssen sich auch im Netz ausprobieren können – unsere Aufmerksamkeit muss sich auf diejenigen richten, die zu Mobber*innen oder Gewalttäter*innen werden. Davon ist in den Tipps des Frauenrats nichts zu lesen, denn es geht weiter mit Ansprachen an diejenigen, die bereits zum Opfer wurden und nun Schadensbegrenzung betreiben müssen.
Oft schwingt bei der Debatte rund um „Cybermobbing“ an Schulen mit, Mobbing sei im Internet erfunden worden. Lehrer*innen und Eltern stehen angeblich plötzlich vor einem großen Problem und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Als ich in die Unterstufe ging, da waren wir Schüler*innen noch keine Internetnutzer*innen und trotzdem wurde gemobbt. Da wurden Fotos aus so genannten Freundschaftsbüchern geklaut und zusammen mit diffamierenden Texten in der Schule verteilt. Da wurde laut in der Klasse gelästert, da wurden Leute auf dem Nachhauseweg verfolgt und am Nachmittag bei diesen Leuten angerufen (weil es offene Telefonlisten gab, ganz analog auf Papier). Und schon damals waren die Lehrer*innen überfordert, schon damals fühlten sie sich oftmals nicht zuständig und schon damals richteten sich ihre Psychologisierungen und Ursachensuche oft an die Opfer. Scheinbar hat sich da wenig geändert, denn der Experte im Magazin des Frauenrats wird wie folgt zitiert: „Als Risikofaktoren gelten mangelndes Einfühlungsvermögen und geringes Selbstwertgefühl“. Nein, hier sind nicht die Täter*innen gemeint, es geht um die Opfer. Hier werden Gründe dafür gesucht, die rechtfertigen, dass Menschen von anderen Menschen fertig gemacht werden.
Der Untertitel des Artikels lautet „Cybermobbing unter Jugendlichen hat massiv zugenommen – viele Eltern sind alarmiert“. Sind eigentlich auch die Eltern der Täter*innen alarmiert? Wann wird sich mal damit beschäftigt, was Menschen zu empathielosen Täter*innen macht? Und gemeint ist keine Diskussion rund um Videospiele, „Problemfamilien“ oder gar Religion, was klassischerweise nach Gewalttaten passiert. Was total fehlt, ist die Gefährder*innenansprache und auch die Ursachenforschung, was schon Schüler*innen zu Gewalttäter*innen macht. Im Artikel der Zeitschrift Frauenrat findet sich dazu nur folgende Erklärung: „Unbedachtheit spielt eine große Rolle. Viele stellen aus Wut oder aus Versehen etwas ins Netz“. Wenn wir von Mobbing sprechen, sprechen wir von anhaltendem, systematischem Ausschließen, Beleidigen, Bedrohen und so weiter. Das hat mit Versehen nichts zu tun. Allein schon der Begriff „Cybermobbing“: Wer heute noch ironiefrei „Cyber“ sagt, sagt sehr viel darüber aus, wie gut er oder sie sich im Internet auskennt. „Cyber“ klingt nach „im Internet surfen“, „das geheimnissvolle World Wide Web entdecken“ – und auch nach „Weltraum“, „weit weg“ und „nicht echt“. Gerade, wenn wir über Gewalt im Netz reden, ist es fatal, solche Assoziationen zuzulassen.
Zum Glück spricht der Artikel auch einen sehr wichtigen Punkt an, nämlich welche Folgen für die Opfer von Mobbing bleiben: „Depressionen, Angststörungen, Wut, aggressives Verhalten, psychosomatische Beschwerden, Schulphobie, posttraumatische Belastungsstörungen bis hin zu Suizidgedanken und Suizidversuchen.“ Und zusätzlich dazu sollen sich Opfer noch damit beschäftigen, mit welchem Verhalten sie die Gewalt ausgelöst haben? Das ist unzumutbar und unmenschlich.
Gewalt ist real, egal ob im Internet oder auf dem Schulhof. Mobbing ist Gewalt und kein Versehen. Und Schuld tragen weder die Opfer noch die genutzten Instrumente, Schuld tragen die Täter*innen.
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Ich will keine Kinder. Diese Erkenntnis war für mich wie ein Befreiungsschlag. Allerdings komme ich mir als kinderlose Lesbe unglaublich privilegiert vor, weil mich die typischen Benachteiligungen berufstätiger Frauen* (Doppelbelastung etc.) nicht betreffen: Keine Kinder, um die ich mich kümmern muss; kein Mann, für den ich den Haushalt machen muss und der mich in der Karriere überholt. Andererseits bin aber auch ich auf ein Leben hauptsächlich als Hausfrau und Mutter vorbereitet bzw. dahingehend erzogen worden (typisch für die Gegend und die Schicht, aus der ich stamme) – was bedeutet, dass ich viel zu spät in Sachen Karriere durchgestartet bin. Deshalb kenne auch ich das Gefühl, schon im Kindes- und Teenageralter die spätere Mutterrolle mitzudenken: frau braucht nur einen Halbtagsjob etc., weil sie sich hauptsächlich um die Familie zu kümmern hat.
Es hat mich lange Zeit bedrückt, dass ich keine Kinder haben werde (Samenspende war für mich nie eine Option), weil mir beigebracht wurde, dass das schließlich zu einem „richtigen“ Frauen*leben dazu gehört. Ich hatte immer Angst, dass ich mich selbst belüge, wenn ich mir sage, dass ich gar keine Kinder will – so eine Art Schutzbehauptung. Phasenweise hat sich bei mir dann als Abwehrhaltung eine Art Hass gegenüber Kindern und aller damit verbundenen Themen aufgebaut. Seitdem ich mit den Kindern von Freund*innen und Bekannten konfrontiert bin und diese auch hin und wieder betreue, sind mir zwei Dinge klar geworden: Ich hasse sie weniger als ich dachte – und ich will trotzdem keine.
Tugendfurie
Ich bin jetzt 25 und mein Papa hat schon vor zwei Jahren zum ersten Mal durchblicken lassen, dass er Enkelkinder gar nicht verkehrt finden würde. Ich bin in dem Alter in dem (wie
@marthadear
es letztens im Gespräch treffend formulierte) „mein Uterus am Kaffeetisch verhandelt wird“. Die Frage, ob ich Kinder möchte, ist eigentlich gar nicht komplex genug. Ich möchte Kinder. Die Fragen sind vielmehr: Wann? Wo? Wie? Mit wem?
Für mich stand eigentlich immer fest, dass ich gerne Kinder haben möchte, genauso stand aber auch fest, dass ich ein Studium und einen Beruf will, der mich erfüllt. Derzeit bin ich an einem Umbruchspunkt in meinem Leben: Ich bin seit zwei Monaten mit dem Studium fertig und vor drei Wochen ans andere Ende Deutschlands gezogen, um hier einen Job zu finden.
Für mich sind gerade ganz grundlegende Fragen relevant: Wo werde ich in drei Monaten wohnen? Wovon soll ich leben? Finde ich einen Job, der mich ernähren kann? Ich denke über meine berufliche Zukunft nach, aber auch über mein Privatleben. Dazu kommt, dass ich derzeit sehr viel an Projekten beteiligt bin, politisch Dinge bewege und das alles auch weiter tun möchte.
Meine Freund*innen sind teilweise schon lange Mütter oder gerade schwanger, ich bin sehr stolze Patentante. Kinder spielen in meinem Leben eine Rolle und ich würde mir wünschen, dass auch eigene einen Platz finden. So einfach ist das aber eben nicht.
Für 2014 habe ich mit Freundinnen erstmal einen „Nicht-schwanger-werden-Pakt“ geschlossen und mir eine „Pille danach“ aus dem Ausland mitbringen lassen
Weird
Für mich war es früher immer klar, dass ich Kinder haben werde, das stand quasi gar nicht zur Debatte. Ich habe erst in den Mittzwanzigern angefangen, überhaupt bewusst darüber nachzudenken und zu prüfen, wieviel davon eigener Wunsch ist und wieviel gesellschaftliche Norm. Dabei kam für mich heraus, dass es kein Herzenswunsch ist, dass ich es mir aber durchaus vorstellen kann – „später“. Inzwischen bin ich 34 und kann mir vage vorstellen, innerhalb der nächsten Jahre vielleicht ein Kind zu haben. Aber mich verstört der Gedanke daran, ein Kind auf die Welt zu bringen – und ein Kind zu stillen. Das wurde mir erst so richtig klar, als ich vor etwa einem Jahr einen Artikel einer Redakteurin las (den ich leider nicht wiedergefunden habe), die sich gegen das Stillen entschieden hat. Plötzlich machte sich eine Erleichterung in mir breit. Aber der Gedanke an das Austragen und zur Welt bringen erfüllt mich weiterhin mit Unbehagen bis Schrecken. Dazu kommen die üblichen Schwierigkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren. Ich habe lange studiert, bin dafür schon relativ alt und habe beruflich bisher nicht Fuß gefasst, das ist nicht der beste Zeitpunkt. Das Thema beschäftigt mich immer mal wieder und ich schwanke derzeit zwischen „och ja, warum auch nicht?“ und „OMG, niemals!“.
TQ
Als ich klein war, hasste ich Kinder. Mich selbst nicht, ich fühlte mich ja schon richtig erwachsen. Eigentlich immer, zumindest im Vergleich zu meinen zwei jüngeren Brüdern. Ich wollte nie am Kindertisch sitzen, nie mit Jüngeren spielen.
Später änderte sich meine Einstellung zu Kindern. Kinder waren das, was man bekam, wenn man beim Sex nicht verhütete. Kinder waren ein Zeugnis dafür, dass einer ihr eigenes Leben nicht wichtig genug war, weil sie ihr Leben, ihre Karriere für ihre Kinder „aufgab“. Männer betraf das höchstens indirekt, was mir ungerecht vorkam und mich wütend machte. Die Politik tat in den vergangenen zehn Jahren für Frauen meiner Lebensrealität weniger als
nichts
, um Beruf und Kinder vereinbar zu machen, und so blieben Kinder für mich – ein Makel.
Inzwischen bin ich 34. Ich müsste so langsam an Kinder denken, wie auch meine (Schwieger)Mütter mich wissen lassen, ich fühle mich aber mit dem Gedanken sehr alleine gelassen. Und doch wächst die Wut auf die, die mir diktieren wollen, ob und unter welchen Voraussetzungen ich Kind und Karriere gemeinsam verwirklichen kann. Ich bin kurz vor: „Ihr* könnt mich mal! Da, jetzt bin ich schwanger!“
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