Back in Black
Back in black
I hit the sack
I’ve been too long I’m glad to be back
Yes I’m let loose
From the noose
That’s kept me hanging about
Lookin‘ at the sky
‚Cause it’s gettin‘ me high
Forget the hearse ‚cause I’ll never die
I got nine lives
Cat’s eyes
Abusin‘ every one of them and running wild
‚Cause I’m back
Yes I’m back
(…)
Well I’m back in black
Yes I’m back in black (…)
Auszug aus Back in Black, AC/DC (1980)
Souls of Black
Müsste man dem Musikstil Heavy Metal eine (Kleider-)Farbe zuordnen, dann wäre das mit Sicherheit Schwarz. Auch wenn gerade kein passendes Bandshirt zur Hand ist – mit schwarzen Jeans und einem schwarzen T-Shirt kannst du auf einem Metalkonzert erst mal nichts verkehrt machen. Von AC/DCs Back in Black über Metallicas Schwarzes Album bis hin zum Genre des Black Metal – die Farbe Schwarz ist allgegenwärtig. Und zudem ist sie verblüffend konstant: Während Modefarben kommen und gehen, bleibt es im Metal über Jahre und Jahrzehnte hinweg beim unbunten Schwarz. Viele Metalheads, darunter auch wir beide, tragen auch im Alltag oder zu Anlässen, zu denen Metal-typische Kleidung nicht passen würde, gerne schwarz. Die wenigsten fragen sich, warum das so ist.
Hier lohnt ein kurzer Blick in die europäische Kulturgeschichte, wo der Farbe Schwarz ein besonderer Stellenwert zukommt: Sie wird mit Tod, Trauer, Melancholie und Demut ebenso in Verbindung gebracht wie mit Macht, Stärke und Schutz. Schwarze Kleidung versinnbildlicht das Streben nach Wahrhaftigkeit und Authentizität, weshalb sich viele ideologische und elitäre Gruppen gerne in einheitliches Schwarz kleiden.
In den 1950er Jahren erhält die Farbe Schwarz erstmals Eingang in die Jugendkultur. In dieser Zeit beginnen vor allem im US-amerikanischen Raum männliche* Jugendliche durch das Tragen von schwarzen Lederjacken ihre Zugehörigkeit zur Szene der sogenannten „Halbstarken“ zu signalisieren. Neben praktischen Aspekten – ein wichtiges Statussymbol innerhalb der Szene ist das Motorrad – soll die schwarze Lederkleidung auch ein Ausdruck von Stärke, Unabhängigkeit und Gewaltbereitschaft der Gruppe sein. Die Kleidercodes dieser Jugendkultur wurden von Film und Fernsehen aufgegriffen und prägen bis heute das Bild von maskuliner* Unabhängigkeit.
Ab den 1980ern bildet sich in Europa langsam die sogenannten „Schwarzen Szene“ heraus, eine heterogene Subkultur, die aus unterschiedlichen Musikrichtungen und Modestilen gespeist wird, darunter Gothic Rock, Gothic/Symphonic Metal, Electro, Industrial, Neofolk, Folk Metal, Mittelaltermusik bis hin zu Neuer Deutscher Härte und Black Metal. Die Szenegänger*innen eint neben ihrer Vorliebe für die Farbe Schwarz auch eine gemeinsame Weltanschauung bzw. ein damit verbundenes speziell codiertes Zeichensystem, das oft von Todessymbolen (Schädel) oder heidnischen Symbolen (Runen) geprägt ist. Themen wie gesellschaftliche Tabus, Philosophie, Esoterik und vorchristliche Religionen stehen im Mittelpunkt; die Kleidungsfarbe Schwarz dient zur Abgrenzung von der bunten „Spaßgesellschaft“.
Under Jolly Roger
Und Abgrenzung von der „Spaßgesellschaft“ tut oft Not, denn längst nicht jede*r hat zu dieser Zugang. Queere Kinder und Jugendliche haben es bis heute nicht leicht – umso weniger, wenn sie wie wir beide auf dem Land aufwachsen, wo alles noch in geregelten/(hetero-)normativen/genderstereotypen Bahnen zu verlaufen hat. Unsere Selbstfindung verlief nicht weniger turbulent, aber doch anders als die der Gleichaltrigen. Während um uns herum die Dorfjugend mit heterosexuellen Paarungsritualen beschäftigt war – im Sommer gab es dafür den katholischen Jugendtreff und den Trachtenverein, im Winter die Eisdisco – verfestigte sich in uns ein Gefühl von Nicht-Zugehörigkeit, Anders-Sein und Ausgrenzung. Die räumliche Entfernung zu jeder Art von LGBITTQ-Szene und der Mangel an Internet (Ja echt! Das gab’s mal nicht!) machte einen Austausch mit Gleichgesinnten unmöglich. Unsere Reaktion? Wir schlossen uns einer Gegenkultur an, die für uns über TV und Zeitschriften erreichbar war, und die uns total faszinierte: Metal!
Wir begannen, uns ausschließlich in Schwarz zu kleiden und behielten diese Gewohnheit gegen alle Widerstände für mehrere Jahre bei. Die schwarze Kleidung wurde Ausdruck unseres Anders-Seins, das für uns so nicht nur fühl- und lebbar, sondern in einem Akt des trotzigen Aufbegehrens auch nach außen hin sichtbar gemacht werden konnte. Vervollständigt wurden unsere Outfits durch Lederjacken, Kutten und den T-Shirts unserer jeweiligen Lieblingsbands. In der Zeit vor den Girlie-Shirts war diese Kleidung ausschließlich für Männer* bzw. Jungs* gedacht und geschnitten – wir liefen also faktisch in Männer*kleidung herum.
Mit der Übernahme der Bekleidungs-Codes des Heavy Metal eigneten wir uns – mehr oder weniger unbewusst – männlich konnotierte Insignien an, die uns Freiheit versprachen. Und zwar Freiheit von dem bereits seit unserer Geburt vorgezeichneten Leben innerhalb heteronormativer sowie geschlechtsbinärer Normen. Unsere Umwelt reagierte auf unsere Verweigerung femininer Verhaltensweisen mit Unverständnis und der Aufforderung, doch endlich auch mal etwas „Hübsches“ anzuziehen wie die anderen Mädchen* – denn schließlich sollten auch wir beide ja mal einen Mann* abbekommen.
Bis heute manifestiert sich für uns in der Ablehnung bunter Bekleidung unsere Verweigerung gegenüber allzu femininer und unpraktischer Mode mit ihrem Diktat der wechselnden (Mode)Farben – und damit der impliziten Aufforderung ständig hübsch, sexy und für andere erkennbar weiblich* aussehen zu müssen.
Unsere Vorliebe für die maskulinen Outfits unserer Metal-Vorbilder war allerdings mehr als bloßes Cross-Dressing: Wir wollten weg von der als normal und natürlich angesehenen Geschlechterbinarität, welche Menschen ganz klar vorschrieb, was sie auf Grund ihres Geschlechtes zu tun und zu unterlassen hatten. Über den Metal kamen wir in Kontakt mit Männern* bzw. einer Männlichkeit*, die ebenfalls vom Mainstream abwich, denn auch „die Langhaarigen“ galten im dörflichen Umfeld als alles andere als normal. Mit diesem Hinterfragen von Geschlechternomen erschufen wir beide für uns letztlich eine eigene Geschlechtsidentität als Metalheads: Irgendwie keine Frauen*, irgendwie keine Männer*, vielleicht irgendwas dazwischen oder vielleicht auch keines von beidem. Im Zweifel immer Fuck You! Dieses Gefühl der Verortung zwischen vorgegebenen Kategorien – des nicht eindeutig Zuordnen-Könnens – ist uns bis heute geblieben. Genau wie unsere Vorliebe für Metal als Musikrichtung und Kultur, in der wir uns einfach heimisch und verwurzelt fühlen.
Lesetipps zum Thema Schwarze Szene und Symbolik:
- Arvid Dittmann: Schwarz als Farbe jugendlicher Subkulturen. In: Alexander Nym (Hg.): Schillerndes Dunkel. Geschichte, Entwicklung und Themen der Gothic-Szene. Plöttner Verlag, 2010.
- Judith Platz / Alexander Nym / Megan Balanck: Schwarze Subgenres und Stilrichtungen.In: Alexander Nym (Hg.): Schillerndes Dunkel. Geschichte, Entwicklung und Themen der Gothic-Szene. Plöttner Verlag, 2010.
- Christiane Ana Buhl: Tod, Vergänglichkeit und Düsternis. Der Schädel in der Ästhetik und dem Weltbild der Schwarzen Szene. In: Alfried Wieczorek u. Wilfried Rosendahl (Hg.): Schädelkult. Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen. Regensburg 2011.
Weiterführende Links zu den Themen queere Identität und Pink/Rosa:
- Queere Maskulinität: Wie ich Butch wurde
- @distelfliege: Ich bin nichts für Ungut (Coming out für Heten)
- @phraselnd: Mein Rosa
- Kritik an Pink Stinks: Pink stinkt nicht!