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Wir erobern die Nacht zurück!
Dieser Text ist die Nachbereitung meiner Session auf dem
Barcamp Frauen 2013
letzten Samstag in Berlin. Danke an alle Teilnehmer*innen – eure Ergänzungen sind hier eingeflossen. Ich kann hier leider nicht alles Gesagte ganz detailiert aufschreiben, da manche Strategien besser im geschützten Raum weitergegeben und nicht veröffentlicht werden.
Ganz herzlichen Dank an @AranJaeger fürs Probelesen und Ergänzen.
Wer schon mal etwas zu Feminismus oder Anti-Rassismus o.ä. auf irgendeine Plattform im Internet geschrieben hat, lernt meistens sehr schnell Hasskommentare kennen. Bedrohungen und Beschimpfungen im Netz sind genauso real wie auf der Straße. Sie treffen dich 24 Stunden am Tag, unerwartet und auf unterschiedlichen Kanälen. Sie ziehen Energie von deinen eigentlichen Projekten ab, treffen dich persönlich und ziehen dich runter. Ziel solcher Hasskommentare ist immer, die angesprochene Person zu verunsichern und im besten Fall zum Schweigen zu bringen. Sich frei im Internet zu bewegen, wenn dort Menschen lauern, die dir etwas Schlechtes wollen, ist nicht mehr möglich. Hasskommentare beeinflussen dein Schreiben und dein Denken.
Zudem werden sie oft vom Umfeld (besonders dem „Offline-Umfeld“) nicht ernst genommen. Die Situation zu beschreiben wird derzeit zusätzlich dadurch erschwert, dass die Mittel der Maskulist*innen immer perfider werden. Mittlerweile werden auch detailliert ausgearbeitete Fake-Identitäten dazu benutzt, die Bedrohungen von Feminist*innen und die Hetzjagden auf sie zu verstärken.
Das Ziel der Bedrohenden ist, uns zum Schweigen zu bringen. Wenn wir uns das nicht gefallen lassen wollen, muss jede*r von uns den für sie*ihn richtigen Weg gehen, mit so wenig Schaden wie möglich aus der Sache raus zu kommen bzw. den Aktivismus weiter betreiben zu können. Wichtig ist, dass es natürlich nicht den einen richtigen Weg gibt. Ein Burnout ist immer ein zu großes Opfer und schadet nicht nur dir, sondern auch deinem Anliegen.
Hate Speech ist unsichtbar und wie mein Vortrag auf der Open Mind im Sommer gezeigt hat, ist den Bedrohenden auch viel daran gelegen, dass dies so bleibt. Um aber etwas gegen den Hass unternehmen zu können, ist es wichtig, dass Nicht-Betroffene verstehen, um was es geht und man ihnen einen Einblick ermöglicht. Es hat sich hier bewährt, nicht auf der entsprechenden Plattform selbst (oder im Netz an sich) als Betroffene mit denjenigen zu diskutieren, die dich beleidigen.
Es erscheint mir sinnvoll, erst zu schauen, welche Verbündete wir haben oder um welche wir uns bemühen sollten. Davon ausgehend gehe ich dann auf Strategien ein, die sich bereits bewährt haben oder sinnvolle Ansatzpunkte sein könnten.
1. politische Lösungen:
2. technische Lösungen:
3. Self Care:
4. Bildet Banden!
Lieber Masku, lieber Troll, lieber Dunkeltroll . Du bist hierher verlinkt worden, weil du einen Kommentar verfasst hast, den der*die Adressat*in nicht beantworten will. Statt dessen hat sie*er sich entschieden, dich wissen zu lassen, wie er*sie deinen Kommentar verstanden hat. Und vielleicht bietet dir die Lesart ja auch Ansätze zur Introspektion. Wer weiß?
Du hast geschrieben: „Du musst nur mal durchgevögelt werden.“
Was ich verstanden habe: „Ich bin selbst sexuell frustriert, weil ich gerade verlassen wurde, meine sexuellen Vorlieben nicht so genau kenne oder einfach einsam bin. Daher halte ich den Geschlechtsakt für einen magischen Prozess und hoffe auf transformatorische Effekte.“
Du hast geschrieben: „Du bist hässlich.“
Was ich verstanden habe: „Ich fühle mich unter Frauen generell recht unsicher und flüchte mich daher in Bewertungen nach Standards, die ich selbst nicht so genau verstanden habe.“
Du hast geschrieben: „Du bist fett!“
Was ich verstanden habe: „Ich bin ob meines Erscheinubgsbildes unsicher und habe daher sehr stark die hierzulande geltenden Normen für Attraktivität verinnerlicht. Leider hat mir das nicht geholfen, so dass ich dazu übergegangen bin, mich auf eine einzige Dimension zu fixieren, das Gewicht.“
Du hast geschrieben: „Du bist eine Extremistin!“
Was ich verstanden habe: „Ich bin leider nicht dazu in der Lage, zu verstehen, dass andere Menschen mit anderen Problemen kämpfen müssen als ich. Ich bin generell nicht sehr empathisch und kann leider auch nur schwer theoretischen Ausführungen folgen.“
Du hast geschrieben: „Ihr Feminazis hasst Männer!“
Was ich verstanden habe: „Ich habe deine Position nicht verstanden oder kann sie leider nicht verstehen, da ich kognitiv eingeschränkt, emotional festgefahren oder auf meine Sicht der Dinge fixiert bin. Entschuldigung.“
Du hast geschrieben: „Ihr Feministinnen seid doch alles Lesben!“
Was ich verstanden habe: „Ich verstehe nicht, wieso manche Menschen sich eher zu Frauen oder eher zu Männern hingezogen fühlen, und es verunsichert mich, dass auch ich homosexuelle Tendenzen haben könnte. Das kann ich nicht akzeptieren. Daher denke ich, es ist für dich sicher eine Beleidigung, dich als homosexuell zu bezeichnen. Ich hoffe, damit meine heterosexuelle Ausrichtung zu festigen.“
Du hast geschrieben: „Du willst doch nur Aufmerksamkeit.“
Was ich verstanden habe: „Ich bin neidisch, weil du witzige und geistreiche Texte im Internet schreibst und dafür geliebt wirst. Ich versuche das auch, es klappt aber nur so lala. Bitte beachte doch du mich und schenkte mir deine Aufmerksamkeit, damit ich mich wichtiger fühlen kann, ja?“
Du hast geschrieben: „Penis! Penis! Schwanz!“
Was ich verstanden habe: „Ich besitze die emotionale Reife und sexuelle Erfahrung eines Kleinkindes. Hihihi, Penis!“
Du schriebst: „Du bist eine Schlampe / Hure / Fotze.“
Was ich verstanden habe: „Ich habe leider noch nicht verstanden, dass Menschen generell unterschiedliche Meinungen haben können, die auf unterschiedlichen Erfahrungen beruhen. Daher verunsichern mich andere Meinungen und ich versuche, die Integrität meines Gegenübers zu untergraben. Dazu stehen mir aber leider nur zweisilbige Schimpfwörter zur Verfügung.“
Du hast geschrieben: „Du bist Teil der Weltverschwörung [XY].“
Was ich verstanden habe: „Diese Welt ist für mich zu komplex, ich verstehe sie nicht, und das macht mir Angst. Daher halte ich mich an einem imaginären System fest, dass die Welt für mich strukturieren soll und mir hilft, mich nicht immer so verwirrt zu fühlen.“
Du hast geschrieben: „Stirb doch einfach.“
Was ich verstanden habe: „Ich habe Angst vor meiner Vergänglichkeit, davor, spurlos ausgelöscht zu werden. Daher kämpfe ich so verbittert um deine Aufmerksamkeit, in der Hoffnung, irgendwie die Leere in mir zu füllen.“
Du hast geschrieben: „Ich bring dich um!“
Was ich verstanden habe: „Im Internet fühle ich mich anonym und damit sicher. Da fällt es mir sehr leicht, Drohungen auszusprechen, und ich hoffe, dass ich dir nie begegne oder enttarnt werde. Das würde mir Angst machen und ich wüsste nicht, wie ich mich verhalten soll.“
Du hast geschrieben: „Wichtiges, scheinbar neues Argument [XY]!“
Was ich verstanden habe: „Schau, ich beschäftige mich mit Feminismus. Nicht genug, um eine Suchmaschine zu verwenden und zu recherchieren, aber naja – eben mit den mir gegebenen Mitteln.“
Protipp: Willkommen im Diskurs. Sehr viel wurde schon diskutiert. Schau mal bei feminismus101.de rein.
Gebrauchsanleitung: Dies ist der automatische Anpöbelbeantworter. Bist du Opfer eines Dunkeltroll s geworden? Hat dich jemand auf widerliche Art beleidigt oder bedroht? Gerne kannst du den Anregungen des Artikels von Anatol Stefanowitsch folgen und ihm*ihr Grenzen stereotyp aufzeigen. Wir möchten dir aber noch eine andere Möglichkeit bieten: Die, ihm*ihr stereotyp den immer gleichen Link zu posten und dich dafür zu entscheiden, die Beleidigung des Trolls nicht als Aussage zu dir , sondern als Selbstaussage über ihn zu lesen.
Verlinken, Schultern zucken, weitergehen.